DIE GESCHICHTE UNSERER GEMEINDE
Autor: Studiendirektor a. D. Gerhard de Vries
Besiedelung in der Vor- und Frühgeschichte
Die Region um Hügelsheim ist mindestens seit ca. 10.000 v. Chr. von Menschen bewohnt. Das belegen Feuersteine und einfache Gerätschaften aus der mittleren Steinzeit.
Hallstatt-Zeit: Heiligenbuck – Fürstinnengrab
Die Gräber eines Keltenfürsten, der Heiligenbuck (70 m Durchmesser, 3,50 m Höhe), vermutlich das seiner Frau, das Fürstinnengrab auf der heutigen Gemarkung von Rheinmünster – Söllingen sowie drei kleinere Grabhügel (20 m Durchmesser; 1,10 m Höhe) im Bannwald der heutigen Gemeinde Rheinmünster sind Zeugnisse einer menschlichen Besiedlung aus der Zeit um 2000 v. Chr.. In Hügelsheim ist die Erinnerung an die Römer mit der Römerstraße lebendig geblieben, deren Verlauf noch heute aus Luftbildaufnahmen erschlossen werden kann. Seit 260 n. Chr. waren die Alemannen, die aus dem Gebiet zwischen Havel und Spree kamen, hier angesiedelt, nachdem sich die Römer hinter die Rheingrenze zurückgezogen hatten. Dadurch ging die römische Bauweise aus Steinbauten verloren, da die Alemannen kunstvolle Holzbauten für sich errichteten. Die Römerstraßen als Fernverbindungen wurden aufgegeben. Bis 1933 existierten Spuren eines Alemannenfriedhofs in der Nähe des Heiligenbuck. Im Jahre 496 wurden die Alemannen von den Franken besiegt. Murg und Oos bildeten die Nordgrenze des Alemannenreiches. Um diese Zeit kam auch das Christentum in unsere Gegend.
Namensgebung
Siedlungsnamen mit der Endsilbe -heim deuten meistens auf den Siedlungsgründer oder Sippenältesten hin. In der ersten urkundlichen Erwähnung 788 (s. u.) wird unser Dorf mit Hughilaheim, 1212 mit Hügelisheim und 1257 als Hugelingisheim bezeichnet, was Heim (Wohnstätte, Haus) des Hugilo (Stamm: Hugo) bedeutet.
Erste urkundliche Erwähnung vom 19. April 788
Die Anerkennung von konkreten Altersangaben von Gemeinden beruht grundsätzlich auf Angaben in schriftlichen Dokumenten. Die erste bis jetzt bekannt gewordene urkundliche Erwähnung geschah bei einer Schenkung zugunsten des Klosters Fulda am 19. April 788.
Kriegswirren trafen immer wieder die Bevölkerung
Die Lage unseres Dorfes am Rhein, der wichtigen Verkehrsverbindungsachse, brachte es mit sich, dass Hügelsheim im Laufe seiner Geschichte immer wieder unter regionalen und überregionalen Kriegen zu leiden hatte. Die Aufzählung der Kriege in dieser Region zeigt, dass es in der vergangenen Zeit nur kurze Friedensperioden gegeben hat.
Bauernkrieg 1525
Dreißigjähriger Krieg 1618-1648
Holländischer Rachekrieg 1674-1678 Orléans´scher oder Pfälzischer Erbfolgekrieg 1689-1697
Spanischer Erbfolgekrieg 1701-1714
Polnischer Erbfolgekrieg 1733-1738
Österreichischer Erbfolgekrieg 1740-1749
Siebenjähriger Erbfolgekrieg 1756-1763
Französische Revolutionskriege 1792-1797
Napoleonische Kriege 1799-1815
Badische Revolution 1848-1849
Krieg zwischen Preußen und Österreich 1866
Deutsch-französischer Krieg 1870-1871
1. Weltkrieg 1914-1918
2. Weltkrieg 1939-1945
Verwaltungseinheiten
Seit der Kommunalreform von 1973 gehört die Gemeinde Hügelsheim als Teil des Landkreises Rastatt zum Regierungsbezirk Karlsruhe und hat am 24. Mai 1973 mit der Nachbargemeinde Sinzheim eine Verwaltungsgemeinschaft vereinbart.
Kirchliche Situation
Katholische Kirchengemeinde
Zu Ehren des römischen Diakons und Märtyrers, St. Laurentius, wurde sehr früh eine Kapelle gebaut, die von einem Leutpriester des Klosters Schwarzach versorgt wurde. Im Jahre 1396 stifteten die Heiligenpfleger, die Mitglieder des Pfarrgemeinderats, eine Priesterpfründe für Hügelsheim. Auf dem Platz der heutigen Kirche stand bereits eine ältere, in deren Schlussstein die Jahreszahl 1499 eingemeißelt war. 1504 wurde die Pfarrei von der Mutterpfarrei Stollhofen abgetrennt und zur Selbständigkeit erhoben. Bis zur Gründung der Erzdiözese Freiburg im Jahre 1827 unterstand die Hügelsheimer Pfarrei dem Bischof von Straßburg. Als nach der Reformation die Religionszugehörigkeit des Landesherrn die seiner Untertanen bestimmte, wechselten die Hügelsheimer zwischen 1522 und 1634 acht Mal zwischen katholischem und evangelischem Bekenntnis (cuius regio, eius religio). Seit 1636 waren hier nur katholische Pfarrer im Amt. Da Hügelsheim bis zur Eingliederung der Heimatvertriebenen nach dem 2. Weltkrieg eine rein katholische Gemeinde war, gab es eine enge Verzahnung zwischen der katholischen Kirchengemeinde und der politischen Gemeinde. So baute die politische Gemeinde 1842 die heutige Kirche und unterhielt sie bis 1953. Das „Zollhaus“ (s. u.) wurde von der politischen Gemeinde als Pfarrhaus bereitgestellt. 1962 errichtete sie ein neues Pfarrhaus (in der Gartenstraße) und übergab es der katholischen Kirchengemeinde als Eigentum. Zwischen 1962 und 1967 fand eine große Kirchenrenovierung statt.
Evangelische Kirchengemeinde
Als Flüchtlinge und Heimatvertriebene des 2. Weltkriegs kamen in den 50er- und 60ziger Jahren vereinzelt auch evangelische Christen in das nach Sprache, Konfession und Erwerbstätigkeit soziologisch homogene Dorf. Die Evangelischen aus Hügelsheim, Iffezheim, Wintersdorf und Ottersdorf wurden damals als Filialgemeinde der Rastatter Michaelspfarrei kirchlich betreut. Die Gottesdienste fanden im Bürgersaal bzw. in Schulräumen statt, später auch in der katholischen Pfarrkirche. Erst 1964/65 konnten sich die Evangelischen dieser vier Gemeinden in Iffezheim eine eigene Kirche bauen. 1979 wurde die Kirchengemeinde als „Evangelische Paul-Gerhardt-Gemeinde Iffezheim“ mit den Teilorten Iffezheim, Hügelsheim, Ottersdorf und Wintersdorf selbständig. Nach dem Abzug der Kanadier im Jahr 1993 (s. u.) waren unter den zugezogenen Neubürgern so viele Evangelische, dass heute die Paul-Gerhardt-Gemeinde in Hügelsheim mehr Gemeindeglieder hat als vorher in den vier Teilgemeinden zusammen. Seit 1996 hat die Paul-Gerhardt-Gemeinde von der politischen Gemeinde für ihre Veranstaltungen einen Raum in der Albertastraße angemietet, der auch von der Brüdergemeinde der Spätaussiedler aus Russland mitgenutzt wird.
Von der Rodung bis zur Flurbereinigung
Als die Germanen (Alemannen) sich hier ansiedelten, standen die Häuser vermutlich näher am Rhein als heute. Gemeinsam wurden Wald und Wiesen als Almend (das allen Männern gemeinsame Land) bewirtschaftet. Ackerbau wurde in der Umgebung des Dorfes betrieben. Mit Holzpflügen und Zugtieren wurden neue Anbauflächen gerodet. Dieses neugewonnene Land, wurde in Gewanne und Ackerstreifen eingeteilt und jedem freien Mann nach einem Losverfahren zugewiesen. Haupterwerbsquelle war die Viehzucht, untergeordnet der Getreideanbau. Da die einzelnen Anbauflächen nicht alle eigene Zufahrtswege hatten, wurde in Dorfversammlungen im Flurzwang festgelegt, in welcher Reihenfolge die jahreszeitlich bedingten Bewirtschaftungsschritte erfolgen müssen, damit keine unnötigen Schäden beim Überqueren der Nachbargrundstücke entstehen. Diese Methode wurde bis zum dreißigjährigen Krieg (1618-1648) angewendet. Bis zum Pfälzischen Erbfolgekrieg (1689 – 1697) wurde die Ackernutzung in Form der Dreifelderwirtschaft betrieben. Dabei wurden die Anbauflächen in zyklischer Reihenfolge als Winterfeld, Sommerfeld bzw. Brachland eingeteilt, Wald und Weideland als Almend. Als man in späterer Zeit bessere Kenntnisse beim Düngen gewonnen hatte, konnte man auf das Brachlandjahr verzichten und änderte nur noch die Fruchtfolge im Laufe der Jahre. 1953 wurde in einer Bürgerversammlung und durch einen Gemeinderatsbeschluss die Durchführung einer Flurbereinigung einstimmig abgelehnt. Schließlich zog die Gemeinde 1955 ihre Anfechtungsklage beim Flurbereinigungsgericht des Verwaltungsgerichtshofes zurück. Von einer Aufklärungsversammlung im Jahre 1953 bis zur Schlussfeststellung im Jahre 1963 zog sich schließlich das Flurbereinigungsverfahren hin.
Landwirtschaftliche Sonderkulturen
Auf den sandig – kiesigen Böden der Hardt (Hochgestade) kann Landwirtschaft heute in der „klassischen“ Form (Getreide- und Hackfrüchteanbau) nicht mehr rentabel betrieben werden. Schon vor mehr als einhundert Jahren brachte der junge Hügelsheimer Gastwirt Karl Wurz den Spargelanbau gegen den Willen seines Vaters nach Hügelsheim. Karl Wurz hatte den Spargel während seines Militärdienstes im Elsaß im Offizierskasino kennen und schätzen gelernt. Inzwischen hat sich Hügelsheim zum überregional bekannten Spargeldorf entwickelt und liegt an der Badischen Spargelstraße. Der Spargelanbau wird heute von wenigen Haupterwerbslandwirten und zahlreichen Nebenerwerbslandwirten betrieben. Seit 1986 findet in allen geradzahligen Jahren das weitbekannte und geschätzte Spargelfest als Straßenfest statt, an dem sich alle örtlichen Vereine und zahlreiche Gruppen aktiv beteiligen. Repräsentanten des Hügelsheimer Spargels sind die beiden Spargelhoheiten, die Spargelkönigin und die Spargelprinzessin, mit einer Amtszeit von zwei Jahren. Als weitere Sonderkultur wird Topinambur angebaut, aus dem ein vorzüglicher Schnaps gebrannt wird, der in mehreren Varianten (pur, mit eingelegter Topinamburknolle bzw. Spargelstange, mit Blutwurz abgezogen) vermarktet wird. Auch auf den Speisekarten der örtlichen Restaurants hat die Topinamburknolle ihren Platz gefunden, z. B. als Suppe.
Die Zollstation in Hügelsheim
König Karl IV. verlieh 1350 dem Markgrafen von Baden das Rheinzollrecht, d. h. er durfte Wegezoll („Maut“) erheben. Dieses Recht wurde 1407 vom Erzbischof von Köln und 1449 im Leimersheimer Vertrag durch den Kurfürst der Pfalz bestätigt. Der Markgraf von Baden vergab gegen eine Gebühr diese Zollerhebungsstelle nach Mörsch, später nach Hügelsheim. 1518 hatte der Markgraf in Hügelsheim ein Zollhaus gekauft, eine „herrschaftliche Einrichtung“. Dort verblieb die Zollstelle bis 1778. Neben dem Rhein- und Wasserzoll wurde hier seit 1707 der Landzoll erhoben. Beim „Schwanenwirt“ von Hügelsheim mussten die Zollkennzeichen abgeholt werden. Mit Beinheim, Fort-Louis und der Kurpfalz gab es immer wieder Konflikte, da man dort die Zölle selbst einziehen wollte. Die daraus entstandenen Prozesse endeten immer zugunsten des Markgrafen von Baden. Der Rheinzoll wurde 1803 aufgehoben. In der „Rheinschiffahrtskonvention“ des Wiener Kongresses (1815) wurden einheitliche Zolltarife bis zur Rheinmündung festgelegt, deren Umsetzung schließlich 1830 im „Rheinschiffahrtsreglement“ vollzogen wurde. Die völlige Abgabenfreiheit wurde mit der „Rheinschiffahrtsakte“ (1868) erreicht.
Hügelsheim – Ein Schifferdorf
Schon zur Römerzeit war auf dem Rhein Schifffahrt betrieben worden. Im Mittelalter gab es trotz ungünstiger Strömungsverhältnisse, fehlender Leinpfade und der leidigen Zollerhebungen eine beachtliche Rheinschifffahrt: Zur Existenzsicherung schlossen sich die Schiffsleute in einer Schifferzunft mit Sitzen in Straßburg, Mainz und Köln zusammen. Zum Schutz gegen die Raubritter am Rhein gründeten 1246 die Städte Basel, Straßburg, Speyer, Worms und Mainz einen „Städtebund“, dem sich 30 große rheinische Städte und 60 weitere Städte und Bischofsbereiche anschlossen. Aufgrund eines kaiserlichen Briefes an den Markgrafen von Baden wurde in Hügelsheim im 14. Jahrhundert eine „Ladgerechtigkeit“ eingerichtet, d. h. alle mit Schiffen zu transportierenden Güter und Waren aus dem Regierungsbereich mussten -natürlich gegen eine Abgabe an den Markgrafen- über die herrschaftliche Waage zur Verladestelle Hügelsheim gebracht werden. 1464 war die Hügelsheimer Familie Krämer schon Mitglied der Straßburger Anker- und Schifferzunft. Deshalb durfte sie jederzeit Waren nach Mainz und Frankfurt und zurück transportieren. Ebenso gab es die Erlaubnis, ein Mal in der Woche am Donnerstag ein Marktschiff zollfrei nach Straßburg zu schicken. Um einen ruinösen Wettbewerb auszuschalten, durften kleinere Schiffe erst dann eingesetzt werden, wenn das offizielle Marktschiff ausgelastet war. Das Hügelsheimer Schifffahrtsrecht wurde als wichtige Einnahmequelle 1717 erneut bestätigt. Immer wieder mussten die Hügelsheimer darum kämpfen, da die Begehrlichkeit auf dieses Privileg bei anderen Gemeinden naturgemäß ausgeprägt war. Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt auf dem Rhein (ab 1834) verlor Hügelsheim seine Bedeutung als Schifferdorf. Dieser Verlust stellte für die Schiffer einen herben Verlust dar, zumal die Erträge aus der Landwirtschaft schon damals gering waren.
Goldwäscherei in Hügelsheim
Die Erosionen in den Alpen führten schließlich dazu, dass die freigelegten Goldflitter (17.000 davon ergeben 1 g Gold) mit dem Rheinwasser auch nach Hügelsheim gespült wurden. Bereits in einem Vertrag von 1345 wird festgelegt, dass beim Verkauf von Gelände im Rheinschwemmland der Vorbesitzer sich das Nutzungsrecht auf die Goldgründe vorbehält. Dasselbe geht aus Verträgen von 1558 und 1840 hervor. Bis zum Jahr 1821 war die Goldwäscherei an eine obrigkeitliche Erlaubnis gebunden. Gegen Erstattung des niedrig angesetzten Arbeitslohnes musste das gewaschene Gold als Staatseigentum an die Münze abgeliefert werden. 1832 zählte man zwischen Basel und Mannheim 405 Goldwäscher in 37 Orten, 1850 waren es sogar 50 Rheindörfer.
Der kanadische Militärflugplatz Baden-Söllingen auf unserer Gemarkung
Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8.Mai 1945 wurde unsere Region der französischen Besatzungszone zugeschlagen. Als die Sowjetunion immer mehr Staaten durch moskauhörige Regierungen in ihren Einflussbereich zog, wurde der Nordatlantik-Pakt gegründet, der durch die Androhung der „massiven Vergeltung“ die weitere Expansion der Sowjetunion verhindern sollte.
In dieser Zeit des „kalten Krieges“ standen sich am „eisernen Vorhang“ die feindlichen Blöcke gegenüber. Um die Androhung der „massiven Vergeltung“ glaubhaft zu machen, hatte Frankreich beschlossen, im Zuge der notwendigen Aufrüstungen, auch in Sandweier / Iffezheim / Hügelsheim einen Militärflughafen zu bauen. In der damals üblichen Besatzer-Mentalität hatten die Franzosen ohne vorherige Information der deutschen Behörden den Flugplatzstandort festgelegt. In einer gemeinsamen Aktion erreichten der Landkreis Rastatt, die Stadt Baden-Baden und die Staatskanzlei Freiburg, dass die französische Militärregierung vom Flugplatzstandort Sandweier / Iffezheim / Hügelsheim abrückte. Es war der Badischen Landesregierung klar, dass in der Phase des kalten Krieges und der Besatzungszeit die Ablehnung eines Standorts nur bei gleichzeitiger Nennung eines Alternativstandorts möglich war. Dieser wurde auf der Gemarkung Söllingen / Hügelsheim bestimmt.
In den beiden landwirtschaftlich orientierten Gemeinden Söllingen und Hügelsheim hatte die Existenzangst wegen der zu erwartenden massiven Landenteignung einen energischen Widerstand aktiviert. Aber wiederum beeinflusste die „große“ Politik das Geschehen in den Dörfern: Hier hatten die Anhänger der Kommunistischen Partei die Proteste gegen den Militärflugplatz besonders intensiv betrieben. Um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, sie kooperierten mit den Kommunisten und deren Gedankengut, reduzierte sich die Anzahl der Totalverweigerer in den beiden Dörfern recht bald. Anlieger, Abgeordnete und kommunale Vertreter kämpften erst dann wieder gemeinsam, als es darum ging, die Landenteignungen sozialverträglich abzufedern.
Anfang April 1952 waren die Bauarbeiten des Flugplatzes Söllingen voll im Gange (ebenso in Lahr und Bremgarten) und im August 1952, also weniger als 8 Monate nach der ersten Ankündigung der Bauabsicht, starteten und landeten die ersten französischen Maschinen auf dem Flugplatz Söllingen.
Wegen Verzögerungen beim Bau des Flughafens Pferdsfeld, auf dem die kanadische Luftwaffe angesiedelt werden sollte, wurde den Kanadiern Anfang des Jahres 1953 der Flugplatz Söllingen zugewiesen.
Da Kanada keine Besatzungsmacht in Deutschland war, bezahlte es eine Nutzungsgebühr für das Fluggelände an die Bundesrepublik Deutschland und finanzierte auch in der Folgezeit Unterkünfte seiner Militärangehörigen (in Hügelsheim: Wohnsiedlung Kleinkanada und Hochfeldsiedlung) aus eigenen Mitteln. Der Bau und der Betrieb des Militärflugplatzes Söllingen brachte für die wirtschaftliche Situation in Hügelsheim einschneidende Veränderungen:
Zwangsläufig verminderte sich wegen der enteigneten Ackerflächen die Bedeutung der Landwirtschaft. Andere Erwerbsquellen mussten gesucht werden.
In Flugplatznähe wurde 1953 für die Militärangehörigen die Wohnsiedlung „Kleinkanada“ gebaut, 1986/87 die Hochfeldsiedlung.
Da diese Wohnkomplexe nicht ausreichten, wurden im Dorf zusätzlich Wohnungen angemietet, so dass der private Wohnungsbau angekurbelt wurde.
Viele Hügelsheimer fanden am „Flugplatz“ Arbeitsplätze.
Die kanadischen Militärangehörigen sahen in den dörflichen Vereinsfesten angenehme Abwechslungen an den Wochenenden und halfen so den Vereinen dabei, ihre Kassen aufzubessern. Die Gaststätten erfuhren in der Bauphase des Flugplatzes durch die Mitarbeiter der fremden Baufirmen und später durch die kanadischen Militärangehörigen und deren Familienangehörige (die Kanadier hatten eine Berufsarmee) einen großen Aufschwung.
Das Zusammenleben zwischen Deutschen und Kanadiern war naturgemäß dort besonders intensiv, wo sie in gemeinsamen Häusern wohnten. Erstaunlich war, in welch kurzer Zeit auch die Deutschen sich in englischer Sprache gut verständigen konnten, die keine schulischen Vorkenntnisse hatten.
Auch gab es etliche Eheschließungen zwischen Kanadiern und Deutschen.
Konversion des Militärflughafens Baden-Söllingen
Erst in der Regierungszeit von Michael Gorbatschow gewährte die Sowjetregierung ihrer Bevölkerung eine Reihe von demokratischen Rechten, auf die diese so lange hatten verzichten müssen (Glasnost und Perestroika). Das führte schließlich dazu, dass die sowjetische Armee freiheitliche Strömungen in den Satellitenstaaten nicht mehr mit Waffengewalt unterdrückte, wie sie das 1953 in Ostberlin und 1968 in Prag getan hatte.
Fast wie durch ein Wunder öffnete sich am 9.11.1989 die Berliner Mauer, im 4+2 – Vertrag wurde die deutsche Einheit wiederhergestellt und am 3.10.1990 beschloss die demokratisch gewählte Volkskammer der DDR, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland auch für ihr Gebiet gilt. Damit war die Wiedervereinigung Deutschlands vollzogen, was ja seit Beginn ihrer Existenz erklärtes Ziel der Nato war.
Der „kalte Krieg“ war beendet und damit die Ursache für das ständige Wettrüsten der beiden Blöcke weggefallen. Der Warschauer Pakt löste sich im Juli 1991 auf. Am 17.9.1991 verkündeten die Kanadier, dass sie ihre Luftwaffe nach Kanada zurückholen und den Militärflugplatz Söllingen zum Jahresende 1993 aufgeben werden. Für die Gemeinde Hügelsheim war klar, dass der Wohnraum, der bisher von den 2500 bis 3500 Kanadiern belegt war, nach deren Abzug in Kürze wiederbelegt sein wird, bevor die Konversion des Militärgeländes realisiert sein wird. Nach den ersten Nutzungsgutachten mussten sich die beiden Anliegergemeinden Rheinmünster und Hügelsheim eingestehen, dass die Umnutzung aus eigener Kraft nicht durchführt werden kann und dass das Hauptproblem darin bestehen wird, Partner zu finden, die sich auf fremder Gemarkung für eine Gewerbeansiedlung engagieren werden.
Folgende Probleme stellten sich:
Wo werden die 2500 bis 3500 Neubürger Arbeitsplätze finden?
Wie wird es gelingen, die Neubürger in die Gemeinde zu integrieren?
Welcher Nutzung wird das ehemalige Militärgelände zugeführt werden?
Welche Partner werden die Konversion mittragen?
Wie kann die Kaufkraftschöpfung des Militärflughafens (Schätzung: 300 Mill. DM / Jahr) ersetzt werden?
Die Grundstückserwerbgesellschaft (GEG), bestehend aus den Städten Karlsruhe, Baden-Baden, Bühl, dem Landkreis Rastatt sowie den Anliegergemeinden Rheinmünster und Hügelsheim, kauften von der Bundesrepublik Deutschland das vormals militärisch genutzte Gelände und beabsichtigten, dieses in einen Regionalflughafen mit Industrie- und Gewerbegebiet umzuwandeln.
In den beiden Anliegergemeinden wurde dieses Vorhaben sehr kontrovers diskutiert: Die fliegerische Nutzung um ihrer selbst willen, wollte niemand. In Hügelsheim hatte sich eine Bürgerinitiative gegen die Einrichtung eines Regionalflughafens gebildet. Am 6.12.1993 stimmte der Hügelsheimer Gemeinderat der Errichtung des Regionalflughafens mit hohen Flugeinschränkungen zu, weil ihm klar wurde, dass die Region, vertreten in der GEG, sich nur dann an dem allgemein gewünschten Industrie- und Gewerbepark engagieren wird, wenn die Anliegergemeinden den von der Region verlangten Regionalflughafen akzeptieren. Diese „Kröte“ musste geschluckt werden. Es wurden verschiedene, zweckgerichtete Gesellschaften gegründet. In sehr schwierigen Abstimmungsprozessen auf unterschiedlichen Ebenen musste das Konversionsvorhaben vorangetrieben werden. Als unermüdliche Motoren wirkten dabei der Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe Prof. Seiler und die Bürgermeister Rückle (Hügelsheim) und Droll (Rheinmünster).
Die Region sah sich nicht in der Lage, den Flughafen selbst zu betreiben. Schließlich schlossen sich die Unternehmen Bechtold, FlowTex, Oberle Consulting und Vollack zur Baden-Airpark GmbH (später wurde sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt) zusammen, um unter dem Arbeitstitel „Ein Konzept schafft Zukunft“ die Konversion zu realisieren. Als das Ministerium für Umwelt und Verkehr des Landes Baden-Württemberg am 15. 8. 1996 die Luftrechtliche Genehmigung erteilte, schien der Konversionsprozess nach fünfjährigem zähen Ringen abgeschlossen.
Im Oktober 1997 erhöhte die Baden-Airpark AG ihr Stammkapital von 4 Mill. DM auf 40 Mill. DM. Manfred Schmider und Dr. Klaus Kleiser übernahmen jetzt direkt (nicht mehr über die Firma FlowTex) 95,5% der Gesellschaftsanteile, die Partner Oberle Consulting und Vollack schieden aus.
Noch am 4.2.2000 veröffentlichten die Badischen Neuesten Nachrichten einen Bericht „Der Höhenflug des Baden-Airport hält weiterhin an“. Am gleichen Tag noch wurden die Hauptgesellschafter Schmider / Kleiser wegen des Verdachts auf Steuerbetrug und Scheingeschäfte in Zusammenhang mit der Firma FlowTex in Untersuchungshaft genommen.